Fragen & Antworten
Fragen und Antworten zum Aufklärungsprojekt München e.V.
Inwiefern werden die Jugendlichen bei euren Schulbesuchen mit Sexualität konfrontiert?
Das Aufklärungsprojekt München e.V. macht keine klassische Sexualaufklärung, sondern Antidiskriminierungsarbeit im Bereich sexuelle und geschlechtliche Vielfalt (sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten). Das bedeutet, dass wir mit den Jugendlichen über Lebensentwürfe und Familienmodelle, über Coming-out und Diskriminierung sprechen. Jede Methode wird an die Zusammensetzung der Klasse und an das Alter der Jugendlichen angepasst. In unseren bundesweit gültigen Qualitätsstandards heißt es dazu: „Es handelt sich in erster Linie um Akzeptanz- und Antidiskriminierungsarbeit. Bei Fragen zur Sexualität werden diese sachlich, altersangemessen und zielgruppengerecht beantwortet.“ Wenn von den Schüler*innen viele Fragen zu Sexualität kommen, geht es bei der Antidiskriminierungsarbeit vor allem um den Hinweis, dass Sexualität unabhängig von der sexuellen Orientierung sehr unterschiedlich sein kann. Wenn wir feststellen, dass in der Klasse Bedarf nach Sexualaufklärung besteht, melden wir dies der Lehrkraft zurück, damit sexualpädagogische Fachkräfte dies aufgreifen können.
Drängt ihr den Jugendlichen bestimmte Themen auf?
Nein. Die Selbstbestimmung der Jugendlichen zu stärken, ist ein wichtiges Ziel unseres Schulbesuchs. In offenen Gesprächsrunden diskutieren die Jugendlichen untereinander über gesellschaftliche Vielfalt. Der autobiografische Bezug und die Erfahrungen unserer Teamer*innen können anregen, dass kritisch über Vorannahmen wie Klischees oder Stereotype reflektiert wird und Diskriminierungsmechanismen aufgedeckt werden.
Welche Methoden führt ihr in den Workshops durch? Macht ihr auch Sexualaufklärung?
In unseren Methoden geht es um Diskriminierung, Vorurteile, Klischees, Regenbogenfamilien oder allgemein um gesellschaftliche Privilegien. Alle von uns genutzten Methoden respektieren die Privatsphäre und die persönlichen Grenzen der Jugendlichen. Mit den für queere Bildungsarbeit entwickelten Methoden leisten wir Antidiskriminierungsarbeit und machen keine Sexualaufklärung.
Finden die Jugendlichen eure Schulbesuche überhaupt interessant?
Durch Filme, Serien und das Internet haben die meisten Jugendlichen bereits viele Bilder und Stereotype über Heterosexuelle, Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* Personen und manchmal auch queere, inter* und asexuelle Menschen im Kopf – und viele Fragen. Eine zentrale Methode bei unseren Schulbesuchen ist daher die Frage- und Diskussionsrunde. Die Jugendlichen haben dort die Möglichkeit, uns persönliche oder allgemeine Fragen zu stellen. Die Teamer*innen beantworten diese dann überwiegend autobiographisch. So sind Schulbesuche oft die erste Möglichkeit für Jugendliche, sich angstfrei zu informieren und lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter*, queere oder asexuelle Menschen persönlich kennenlernen zu können. Durch die Evaluation unser Schulbesuche mithilfe von Teilnehmer*innenfeedback wissen wir, dass die Jugendlichen die Möglichkeit uns direkt Fragen stellen zu können besonders schätzen.
Welche Fragen stellen die Jugendlichen üblicherweise an euch?
Typische Fragen sind „Wie war dein Coming-out?“, „Wie hat dein Freundeskreis reagiert?“, „Wurdet ihr schon mal blöd angemacht?“, „Geht ihr händchenhaltend durch die Fußgängerzone?“ oder “Wollt ihr Kinder?”. Unsere Teamer*innen berichten von ihren eigenen Erfahrungen, weisen aber darauf hin, dass diese für ihre individuellen Lebensumfelder spezifisch sind und nicht ein universelles Erleben von LSBTIQA* Menschen wiederspiegeln.
Müssen die Jugendlichen lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter* queere und asexuelle und Menschen nach dem Schulbesuch gut finden?
Nein. Selbstverständlich haben alle Teilnehmenden das Recht auf ihre eigene Meinung. Wir sensibilisieren dafür, dass es in allen Gesellschaften und zu jeder Zeit lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, inter*, queere und asexuelle Menschen (wenn auch nicht immer unter diesen Bezeichnungen) gibt und gegeben hat. Wir berichten über Diskriminierungen und stellen klar, dass lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter*, queeren und asexuellen Menschen die gleichen Menschenrechte zustehen, wie heterosexuellen und cisgeschlechtlichen Menschen auch. Die Teilnehmenden müssen LSBTIQA* nicht gut finden, aber wir machen deutlich, wie wichtig und elementar gegenseitige Akzeptanz für das Zusammenleben in einer demokratischen und pluralen Gesellschaft ist.
Sollen Jugendliche durch die Schulbesuche „umerzogen“ werden?
Nein. Bei unseren Schulbesuchen werden heterosexuelle, lesbische, schwule, bisexuelle, cis, trans*, inter*, queere und asexuelle Identitäten vollkommen gleichwertig dargestellt. Im Übrigen ist es unmöglich, jemandem zu einer anderen sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität “umzuerziehen”.
Wird Heterosexualität bei den Schulbesuchen als minderwertig dargestellt oder abgewertet?
Nein. Heterosexualität betrachten wir ebenso wie Homo-, Bisexualität und Asexualität als eine von vielen in der Realität existierende sexuelle Orientierung von Menschen. Bewertungen wie „besser“ oder „schlechter“ nehmen wir zu keinem Zeitpunkt vor.
Sollen in den Schulbesuchen bestimmte Bilder von “Mann” und “Frau” vermittelt werden?
Nein. Wir sensibilisieren dafür, dass sich einige Menschen nicht in die Geschlechter-Kategorie „Frau“ oder „Mann“ einordnen können oder wollen, also außerhalb dieser Binarität identifizieren. Dabei sensibilisieren wir auch für die in der Gesellschaft stereotyp verankerten Rollenbilder von “Frau” und “Mann” und den oftmals damit einhergehenden Diskriminierungen und Benachteiligungen durch patriarchale Strukturen. Wir machen deutlich, dass die gesellschaftlich verankerten Vorstellungen zu “Mann” und “Frau” viele Lebensrealitäten ausschließen und zur Diskriminierung von trans* und inter* Personen führen.
Für alle Themen gilt der Grundsatz, die Selbstbestimmung der Jugendlichen zu fördern.
Können die Jugendlichen euren Schulbesuch verlassen?
Ja. Dies ist selbstverständlich zu jedem Zeitpunkt des Schulbesuchs möglich. Die Lehrkraft hält für diesen Fall alternative Aufgaben und Themen parat.
Wie sichert ihr die Qualität eurer Antidiskriminierungsarbeit?
Wir arbeiten nach Qualitätsstandards, die uns u.a. vom Pädagogischen Institut (Referat für Bildung und Sport der Landeshauptstadt München) vorgegeben werden. Dazu gehört auch, dass unsere Teamer*innen intern eine Hospitationsphase durchlaufen und sich für die Schulbesuche qualifizieren müssen. Darüber hinaus veranstalten wir regelmäßig Fachfortbildungen für unser Team. Außerdem sind wir den Qualitätsstandards unseres Dachverbands, Queere Bildung e.V., verpflichtet. Zu diesen gehört etwa, dass wir regelmäßig anonymes Feedback von den Workshopteilnehmenden einholen und auswerten, oder auch, dass es pro Workshop mindestens zwei Teamende gibt, die eine möglichst große Vielfalt an sexuellen und romantischen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten repräsentieren. Zusätzlich evaluieren wir intern die Schulbesuche um stetig unsere Konzepte und Methoden zu verbessern.
Wird euer Angebot überhaupt von Schulen nachgefragt?
Ja. Lehrkräfte und pädagogisches Schulpersonal laden uns ein, damit wir die Unterrichtsinhalte zu lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*, inter*, queeren und asexuellen Lebensweisen als externe Expert*innen ergänzen. Schüler*innen sowie Schüler*innenvertretungen kommen ebenfalls auf uns zu, weil sie selbst etwas gegen Queerfeindlichkeit an ihrer Schule unternehmen wollen. In beiden Fällen wird der Schulbesuch mit den Lehrkräften vor- und nachbereitet, damit die Einbettung in das jeweilige Unterrichtsfach gelingt. Übrigens haben wir regelmäßig mehr Anfragen von Schulen als wir bedienen können. Das zeigt, wie wichtig Lehrkräften und Schulen professionelle Antidiskriminierungsarbeit heute ist.
Mit welchem Selbstverständnis werden eure Schulbesuche durchgeführt?
JWir setzen uns für eine wertschätzende und offene Gesellschaft ein, in der heterosexuelle, lesbische, bisexuelle, schwule, cis, trans*, inter*, queere und asexuelle Lebensrealitäten gleichberechtigt gelebt werden können. Das Grundanliegen des Aufklärungsprojekt München e.V. ist, die Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Selbstbestimmung zu fördern und Diskriminierung entgegenzuwirken. Wir stehen für ein respektvolles und gewaltfreies Miteinander und dafür, dass allen Menschen gleiche und unteilbare Rechte zu. Antidiskriminierungsarbeit muss sich deshalb grundsätzlich mit Mechanismen von Ausgrenzung und Diskriminierung beschäftigen und diesen bewusst entgegentreten.